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Aus dem Deutschen Bundestag 2: Ernährung und Verbraucherschutz dürfen nicht zum Auslaufmodell werden

Karin Binder (Die Linke) erklärte im Deutschen Bundestag: “ Nun komme ich zu meinem dritten Punkt besser: Ausrufezeichen -: die Kita- und Schulverpflegung in Deutschland. Vorgestern wurde von Herrn Minister Christian Schmidt eine Studie zur Qualität des Schulessens in Deutschland vorgestellt, ein wichtiger Beitrag, für den ich dem Ministerium ausdrücklich danken möchte. Die Untersuchung zeigt: Gute Schulkantinen sind in Deutschland noch immer Mangelware. Zwar benoten Kinder und Jugendliche, die am Essen teilnehmen, das Angebot mit Zwei bis Drei, also befriedigend. Doch die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler meidet die Schulkantine, vergibt damit also die Noten Fünf bis Sechs, also mangelhaft oder ungenügend. Über die Gründe, warum viele Kinder und Jugendliche das Angebot nicht nutzen, können wir spekulieren.

Ich behaupte: Nicht wenige Kinder aus armen Familien verzichten, weil sie oder ihre Eltern nicht bei Behörden oder Schulleitungen um Almosen betteln möchten. Sie schämen sich dafür, und viele nehmen deshalb am Schulessen nicht teil. Da hilft auch das Bildungs- und Teilhabepaket nicht wirklich. Wir wissen, dass nicht einmal ein Viertel der Familien, die Anspruch darauf hätten, tatsächlich darauf zurückgreift. Das ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land.

Gemeinschaftsessen, das den sinnvollen Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entspricht, kostet mehr als 1,50 Euro und ist auch für 3,50 Euro nicht finanzierbar. Hier kommt der Antrag der Linksfraktion in die Debatte, mit dem ich gern den Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aufstocken möchte. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, eine hochwertige und beitragsfreie Kita- und Schulverpflegung sicherzustellen. Deshalb sollen in diesen Bundeshaushalt 1,8 Milliarden Euro für lernstarke Mahlzeiten ab Beginn des Schuljahres 2015/2016 eingeplant werden. Für die Folgejahre sind dann jeweils 4,4 Milliarden Euro im Haushalt des jeweiligen Jahres vorzusehen. Der Bund hat gegenüber allen Kindern eine soziale Fürsorgepflicht und ist für die gesundheitliche Vorsorge verantwortlich. Wer glaubt, die Bundesregierung könne sich hier aus der finanziellen Verantwortung stehlen, der irrt. Wer will, dass alle Kinder gleichermaßen gesund aufwachsen, sich entwickeln und ihre Bildungschancen überhaupt nutzen können, der muss für diese flächendeckende beitragsfreie Verpflegung eintreten. Sie ist unverzichtbar. Die Teilnahme am Gemeinschaftsessen darf nicht am zu kleinen Geldbeutel von Familien scheitern. Die Almosen des Bildungs- und Teilhabepakets reichen nicht für eine gute und abwechslungsreiche Schulverpflegung, insbesondere dann nicht, wenn verbindliche Qualitätsstandards für die Verpflegung festgeschrieben werden sollen, was der Minister erfreulicherweise auch schon angekündigt hat und was ich sehr begrüße. Dass dies hochgesteckte Ziele sind, ist uns klar. Aber gerade deshalb müssen auch die Vernetzungsstellen für die Kita- und Schulverpflegung dauerhaft finanziell gesichert werden. Sie sind personell aufzustocken und ihre Angebote flächendeckend auszubauen. Die Schulen brauchen diese Beratung und diese Hilfestellungen. Die Schulleitungen dürfen mit der Umsetzung nicht alleingelassen werden.

Ich komme zum Ende. – Herr Bundesfinanzminister Schäuble, warum Schulessen im Gegensatz zum Futter für Hund, Katze, Maus noch immer mit 19 Prozent besteuert wird, ist mir ein Rätsel. Vielleicht können Sie es mir erklären. Wir jedenfalls möchten es gern ändern.“

Quelle: Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokoll, 27.11.2014

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